Pantheon und Engelsburg: Der Zentralbau

Pantheon und Engelsburg: Der Zentralbau
Pantheon und Engelsburg: Der Zentralbau
 
Während Kaiser Hadrian jahrelang in den Provinzen auf Reisen war, um die Grenzen des Reiches zu sichern, ließ er in Rom großartige Bauten errichten und alte, zerstörte Gebäude wieder aufbauen. Damit gab er den Bewohnern der Stadt nicht nur Arbeit, sondern auch die Gewissheit, dass Rom als Hauptstadt für ihn wichtig bleibe. Gleich zu Beginn seiner Regierungszeit (117-138) beauftragte er Apollodor von Damaskus mit dem Bau (118-125) des Pantheons. Über dem Eingang ließ er aber nicht seinen eigenen, sondern den Namen des Agrippa, eines Jugendfreundes und bedeutenden Feldherrn des Augustus, anbringen: Agrippa hatte nämlich um 25 v. Chr. an gleicher Stelle einen Vorgängerbau, das »Pantheum«, errichtet und diesen rechteckigen Tempel dem Kult für Mars, Venus und den vergöttlichten Caesar geweiht, drei wichtigen Gottheiten der ersten Kaiserdynastie, die auch in Hadrians Pantheon verehrt wurden. Damit knüpfte Hadrian - wie auch in Politik, Bautätigkeit und Kunstförderung - demonstrativ an Augustus, den Begründer des Kaisertums, an.
 
Hadrian, der sich selbst gerne als Architekt versuchte, hatte eine Vorliebe für Zentralbauten. Als Zentralbau bezeichnet man in der Archäologie ein meist mit einer Kuppel überwölbtes Gebäude, dessen Innenwände von allen Punkten her etwa gleich weit vom Raumzentrum entfernt sind, sodass der Eintretende hier nicht wie in einem Längsbau in eine bestimmte Richtung gelenkt wird; dabei ist es gleichgültig, ob der Grundriss ein Vieleck oder - wie beim Pantheon - ein Kreis ist. Die ersten Zentralbauten mit kreisrundem Innenraum und mit Kuppeldach entstanden in Thermalbädern in Kampanien; erhalten blieb dieser Typus zum Beispiel in Pompeji in den Stabianer Thermen (80-70 v. Chr.) und in Baia im Merkur-Tempel (1. Jahrhundert n. Chr.). In der Domus Aurea (»Goldenes Haus«), der Stadtvilla des Kaisers Nero, diente ein achteckiger Zentralbau mit Kuppel als Speisesaal, also wie in den Bädern für alltägliche Zwecke. Alle diese Bauten waren jedoch in einem größeren Gebäudekomplex verankert, wodurch das Gewicht der Kuppel teilweise abgefangen werden konnte.
 
Das Pantheon ist ein frei stehender Zentralbau mit kreisrundem Grundriss und mit einer mächtigen Kuppel. Neu und einzigartig ist, dass die Weite des Bodenkreises mit der Höhe des Innenraums übereinstimmt und dass der Mauerzylinder der Wände genau halb so hoch ist wie der Raum. Die Kuppel nimmt im Innenraum eine Halbkugel ein: Würde man sie nach unten drehen, würde sie den Boden berühren. Solch gewaltige Kuppeln gab es nie zuvor. Der Historiker Cassius Dio schrieb, dass die Kuppel im Pantheon ihm wie das Himmelsgewölbe erscheine; ob der Bauherr jedoch beabsichtigt hatte, diesen Eindruck zu erwecken, ist nicht sicher. Denn das Pantheon war zwar einerseits ein Tempel, vor allem für die kaiserlichen Schutzgötter, zugleich aber andererseits auch ein Repräsentationsraum für den Kaiser, der dort manchmal auch Gericht abhielt.
 
Einige Jahre nach der Errichtung des Pantheons gab der Kaiser 130 n. Chr. den Auftrag für den Bau seines Mausoleums, das heute zum großen Teil von der zeitlich späteren und oft umgestalteten Engelsburg überbaut ist. Hadrians Grabmal war ein gewaltiger Zylinder aus Gussmauerwerk, der außen ganz mit Marmor verkleidet war. In die Mitte des Zylinders war ein turmartiger Mittelkern eingebaut, in welchem die eigentliche, quadratische Grabkammer lag - etwa 12 m höher als die ursprüngliche untere Eingangsebene. Von dieser unteren Ebene aus führte ein überwölbter Spiralgang in einer vollen Kreisumdrehung zur Grabkammer. Die Hohlräume zwischen diesen Einbauten und dem äußeren Mauerzylinder waren im unteren Teil mit Steinpackungen, darüber mit Erdaufschüttungen ausgefüllt. Der Turm ragte aus dem Rundbau heraus und wurde von einer Skulptur bekrönt, wahrscheinlich von einem Viergespann, in welchem eine Statue Hadrians stand.
 
Wie schon mit dem Pantheon knüpfte Hadrian auch mit seinem Grabmal formal, vor allem aber ideell an Augustus an. Gleich dem Begründer der Monarchie baute auch er ein Grabmal mit vieldeutiger Sinngebung für sich und die nachfolgenden Kaiser. Beide Mausoleen hatten bepflanzte Erdaufschüttungen und sollten damit einen Bezug zu Tumuli - Grabbauten unter einem Erdhügel - herstellen. In Griechenland gab es schon in mykenischer Zeit ab etwa 1500 v. Chr. Tumuli für Könige, die als Heroen - als halbgöttliche Menschen - verehrt worden waren. Die römischen Kaiser, die in den Provinzen schon zu Lebzeiten, in Rom erst nach ihrem Tode zu Göttern erhoben wurden, nahmen Bezug auf solche Tumuli - für alle Menschen sichtbar und mit erkennbar den Verstorbenen verherrlichendem Sinn.
 
Dr. Dorothea Michel
 
 
Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken u. a. Gütersloh 1994.
 Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Ende der Antike. Die römische Kunst in der Zeit von Septimius Severus bis Theodosius I. Aus dem Italienischen übersetzt von A. Seling u. a. München 1971.
 Coarelli, Filippo: Rom. Ein archäologischer Führer. Aus dem Italienischen. Freiburg im Breisgau u. a. 41989.
 
Römische Kunst, herausgegeben von Bernard Andreae. Freiburg im Breisgau u. a. 41982.

Universal-Lexikon. 2012.

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